Neue Anforderungen der Trinkwasserverordnung

Im Rahmen der Umsetzung der Trinkwasser-Richtlinie (EU) 2020/2184 werden durch eine Novellierung der Trinkwasserverordung Absenkungen bereits existierender Parameterwerte, neue Parameter und ein kontinuierliches Risikomanagement im Hinblick auf Wasserversorgungsanlagen eingeführt.

Trinkwasserverordnung
  • Neuerungen für den mikrobiologischen Bereich

Durch die neue TrinkwV ergeben sich für die mikrobiologischen Untersuchungen nach § 6 (§ 5 TrinkwV i.d.a.F.) zwei grundlegende Veränderungen.

So wird in § 36 TrinkwV mit den somatischen Coliphagen ein neuer Parameter eingefügt.

Bei somatischen Coliphagen handelt es sich um Viren, die Bakterien wie z.B. Escherichia coli infizieren können.

Diese Viren sind für Menschen und andere Warmblüter unbedenklich und sie werden in großer Anzahl von diesen ausgeschieden.

Somit stellen diese somatischen Coliphagen einen Indikator für eine fäkale Verunreinigung des Rohwassers durch Viren dar, so wie analog der Nachweis von Escherichia coli und Enterokokken eine mögliche Kontamination durch bakterielle Krankheitserreger anzeigt.

Von der Untersuchung des Wassers auf somatische Coliphagen sind allerdings nur Wasserversorger betroffen, die Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung nutzen.
Darunter fallen Flusswasser, Seenwasser und Talsperrenwasser. Die Flusswasserentnahme spielt in Bayern keine Rolle, nur die Stadtwerke Lindau nutzen Bodenseewasser und lediglich die Talsperren Frauenau im Bayerischen Wald und Mauthaus im Frankenwald spielen im Freistaat Bayern eine Rolle bei der Trinkwasserversorgung. (Quelle Bayerisches Landesamt für Umwelt)

Für jede untersuchungspflichtige Wasserversorgungsanlage werden erstmalig vier Rohwasseruntersuchungen im Abstand von 3 Monaten gefordert. Dabei soll nach Möglichkeit ein Starkregenereignis sowie eine Trockenwetterperiode erfasst werden.
Sollten diese besonderen Wetterverhältnisse im Zeitraum der vier geplanten Probenahmen nicht auftreten, so sind die Untersuchungen zusätzlich bei entsprechenden Bedingungen nachzuholen.

Für die Bewertung existiert ein Referenzwert von 50 plaquebildenden Einheiten (PFU) pro 100 ml. Während Bakterien auf einem festen Nährmedium Zellhaufen, sogenannte Kolonien bilden – woraus sich der Begriff koloniebildende Einheiten (KBE) ableitet – entstehen auf einem Bakterienrasen durch die somatischen Coliphagen, die die Bakterien infizieren und auflösen, helle Zonen, die als Plaques bezeichnet werden. Nach Aussage des Umweltbundesamtes ist eine Überschreitung des Referenzwertes vermutlich nur in wenigen Fällen zu erwarten. Wenn dieser Wert jedoch überschritten werden sollte, dann sind unter anderem weitere Untersuchungen im Anschluss an jede Aufbereitungsstufe erforderlich, um die Eliminierung der Viruspartikel im Verlauf der Filtration und Desinfektion einschätzen zu können.

Die Ergebnisse der Untersuchungen werden dann im Rahmen der Risikoabschätzung bewertet. Die Risikoabschätzung ist schließlich die Grundlage für die weitere Probenahmeplanung.

Im Rahmen der systemischen Untersuchung auf Legionellen nach § 31 TrinkwV (vorher § 14b TrinkwV i.d.a.F.) führt nun bereits das Erreichen des technischen Maßnahmenwertes zu besonderen Handlungspflichten des Betreibers nach § 51 TrinkwV (zuvor § 15 TrinkwV i.d.a.F.).

Während diese Vorgabe theoretisch eine Verschärfung der Anforderungen darstellt – bisher war ein Wert von 100 KBE/100 ml nicht zu beanstanden – so kommt es in der Praxis tatsächlich aber zu einer merklichen Entschärfung. Dies beruht auf der neuen Empfehlung des Umweltbundesamtes zur Berechnung und Angabe des Untersuchungsergebnisses beim Nachweis von Legionellen nach DIN EN ISO 11731:2019-03. So werden in vielen Fällen einzelne Legionellenkolonien, die in einem Milliliter der Wasserprobe nachgewiesen worden sind, nicht mehr einfach auf 100 ml hochgerechnet. Unter www.labor-graser.de  finden Sie dazu demnächst eine Abbildung, die die Unterschiede in der Berechnung und Angabe des Endergebnisses verdeutlicht. Die Empfehlung des Umweltbundesamtes ist bereits veröffentlicht und sie tritt dann zeitgleich mit der Veröffentlichung der neuen TrinkwV in Kraft.

  • Neuerungen für den chemischen Bereich

Durch die neue TrinkwV ergeben sich für die chemischen Untersuchungen nach § 7 und § 8 (§ 6 und § 7 TrinkwV i.d.a.F.) mehrere grundlegende Veränderungen. Neu in die Trinkwasserverordnung aufgenommene Parameter sind Chlorit und Chlorat (Desinfektionsnebenprodukte), Bisphenol-A (hormonell wirksamer Stoff), Microcysin-LR (Aminosäure) und per- und polyfluorierte Alkysubstanzen (PFAS) (Stoffgruppe in diversen industriellen Anwendungsbereichen). Ebenfalls neu eingeführt wurden die Halogenessigsäuren (HAA) (Desinfektionsnebenprodukte). Des Weiteren wurden für bestehende Parameter (z.B. As, Pb und Cr) die Grenzwerte abgesenkt um den wissenschaftlichen Fortschritt umzusetzen.

Für die Betreiber von großen Trinkwasserversorgungsanlagen gilt ab 2029 nach § 34 und § 35 die Verpflichtung zur Durchführung eines kontinuierlichen Risikomangements.

Werkstoffe aus Blei in der Trinkwasserversorgung sind bis zum Ablauf des 12. Januar 2026 verpflichtend zu entfernen.

Aufgrund toxikologischer Studien und auf Basis epidemiologischer Daten aus 2020 sind die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Polyalkylsubstanzen gesondert zu bewerten. Von 20 ausgewählten PFAS, machen vier PFAS ca. 50% der gesamten PFAS-Aufnhame in der menschlichen Nahrung aus. Entsprechend gilt ab 12. Januar 2026 für die Summe der 20 PFAS ein Grenzwert von 0,00010 mg/l. Für die Summe der häufigsten vier PFAS gilt ab 12. Januar 2028 ein Grenzwert von 0,000020 mg/l.

Mit der Novellierung der Trinkwasserverordnung werden die Reaktionsprodukte Halogenessigsäuren aus der Desinfektion mit Chlor ab 12. Januar 2026 mit einem Grenzwert von 0,060 mg/l belegt.

Bisphenol-A kann aus eventuell vorhandenen Innenbeschichtungen von Trinkwasserbehältern und -leitungen ins Trinkwasser abgegeben werden. Zum besseren Schutz des Endverbrauchers ist ab dem 12. Januar 2024 für Bisphenol-A ein Grenzwert von 0,0025 mg/l einzuhalten.

Die Novellierung der Trinkwasserverordnung wird voraussichtlich Ende April 2023 verkündet.